Dienstag, 4. April 2020 – The Lockdown Diaries – Tag 23

Du kannst mir mal im Mondschein begegnen

Ich habe mir angewöhnt, zu nächtlicher Stunde auf meine kleine Allmendrunde zu gehen. Da habe ich die Landschaft ganz für mich, und kann in die Dunkelheit eintauchen. Besonders schön ist das auf der Brücke welche zunächst über die Autobahn führt und dann eine schöne Strecke über die stille Allmend verläuft. Links kann man die mächtige Silhouette des Üetliberges erkennen.

Heute ist es ein wenig anders, denn es ist Vollmond! Wunderbar, es ist fast Mitternacht, und ich habe einen deutlichen Schatten, nicht nur im Kopf... Meine Netzhaut saugt die letzten Photonen auf, und ich fühle mich eins mit der Nacht. Jetzt soll bloss niemand mit einer Lampe aufkreuzen... Mit dem iPhone ist das Fotografieren der gespenstischen Landschaft schwierig. Es scheint nicht annähernd so gut zu sehen, wie ich. Also bleibt mir nur der direkte Genuss ohne Dokumentationsmöglichkeit.

Seit der Verlangsamung unseres Lebens, bilde ich mir ein, vieles bewusster wahrzunehmen. Ich rieche den gemähten Rasen, den modrigen Waldrand, oder den Hund, der sich irgendwo eine Etage tiefer herumtreibt.

Der Mond erinnert mich an ein Gedicht:

Чудная картина,
Как ты мне родна:
Белая равнина,
Полная луна,

Свет небес высоких,
И блестящий снег,
И саней далёких
Одинокий бег.

Afanassi Afanassjewitsch Fet, Russischer Dichter, 1840-1892

Dass ich hier mit einem russischen Gedicht angeben kann, liegt einfach daran, dass es in unserem Lehrbuch abgedruckt war. Besonders beeindruckt hat mich die Wortmelodie des Begriffs «polnaja luna» («Полная луна», voller Mond). Das ist beinahe lautmalerisch.

Links

https://de.wikipedia.org/wiki/Afanassi_Afanassjewitsch_Fet https://www.aphorismen.de/gedicht/164896

Übersetzung

Quelle: https://www.aphorismen.de/gedicht/164896

Bild, schön ohnegleichen,
Lieb mir und verwandt:
Ebene, du weiße,
Vollmond überm Land,

Licht der hohen Himmel,
Schnee – ein Funkeln, zart,
Und der fernen Schlitten
Einsam stille Fahrt.

23

Blog-Einträge